Videobriefe Deutschland - Senegal

Ein audiovisueller Austausch zwischen Magdeburg und Kolda

Thursday, October 26, 2006

La Fête de la Korité (oder: Endlich ist Ramadan vorbei)

Morgens Moschee. Frauen durften nicht rein, deswegen haben wir das Geschehen von außen beobachtet. Die Moschee füllte sich nach und nach, erst nur drinnen, dann auch auf dem Hof und auf der Straße dahinter. Auf der Straße hinter der Moschee versammelten sich auch die Frauen zum Beten. Überall liefen bettelnde Kinder herum.
Nach dem Gebet sind wir zur Familie Bayo gefahren. Mit uns waren Thomas, Tim und Steffi von der deutschen Delegation. Frau Bayo ist Grundschullehrerin an der Ecole Joseph Baldé, Herr Bayo Mitarbeiter im Forschungszentrum für Landwirtschaft. Daher wohnen sie etwas außerhalb von Kolda auf dem Gelände des Zentrums.
Nach der Ankunft, im Wohnzimmer mit Frau Bayo unterhalten über ..., dann kamen die Männer aus der Nachbarschaft zu Besuch. Wir konnten unsere just einstudierten Wolof-Wörter ausprobieren: „Deviniti“ (Frohes Fest) „Balma Ach“ (Vergib mir) „Balma Ale“ (Ich vergebe dir). Kam gut an.
Danach das erste Essen, „Tjscha Kri“, eine Art Hirse-Couscous mit Rosinen und süßer Sauce aus angedickter Milch mit Ananas. Sehr lecker. Frau Bayo hat nicht mit gegessen, sie kam nur hin und wieder ins Wohnzimmer und hat uns aufgefordert, mehr zu essen. Herr Bayo kam kurz darauf von seiner Tour durch die Nachbarhäuser zurück und hat auch gegessen. Danach hat er uns über das Gelände der Forschungseinrichtung geführt. Sein Aufgabenfeld ist die Rinderzucht, vor allem Kreuzung von unterschiedlichen Rassen, künstliche Befruchtung etc. Außerdem die Erhaltung der lokalen Rinderrasse. Zunächst waren wir aber im „botanischen Garten“. Zumindest haben wir das so genannt. Dort wurde z.B. mit unterschiedlichen Bambusarten rumexperimentiert (welche Art wächst wo und wie am besten und warum) und Versuche zu den Erntezeiten von Mangobäumen gemacht. Außerdem wachsen dort unterschiedliche Heilpflanzen, ein riesiger Taek-Baum und viele viele andere Gräser, Bäume und Sträucher, deren Namen und Besonderheiten wir leider schon wieder vergessen habe. Herr Bayo hat uns auf jeden Fall alles sehr ausführlich erläutert und all unsere Fragen beantwortet. Ach ja, besonders begeistert hat uns ein Ameisen-Highway entlang eines Drahtzauns. Wer denkt, in Afrika würde alles ein bisschen langsamer zugehen: für die Ameisen gilt das nicht.
Anschließend waren wir im Labor für Rinderzucht, künstliche Befruchtung, Futterforschung etc. Von dort sind uns drei Dinge besonders in Erinnerung geblieben: die vielen vielen Fledermäuse, die uns pausenlos um die Ohren flatterten, die Haut der sieben (!) Meter langen Boa, die eine Ziege gefressen hatte und daraufhin vor einer Woche von einem Mitarbeiter des Zentrums erschlagen wurde, und die Information, dass Spermien am liebsten Kokosmilch mit Eigelb essen und darin auch bei Minus 120 Grad überleben.
Zurück am Haus wurden uns noch die eigenen Gurken-, Guaven-, Maniok- und Bananenplantagen (naja, Plantägechen) gezeigt und wir haben zwei Stauden bald reifer Bananen geschenkt bekommen. Wir saßen etwas draußen hinterm Haus. Trotz der Hitze ließ es sich dort ganz gut aushalten. Herr Bayo hat vom Casamance-Konflikt erzählt und von der Bildungspolitik und allen Problemen, die damit einhergehen.
Zum Essen haben wir uns dann wieder ins Wohnzimmer gesetzt. Es gab Kartoffelbrei (was ganz besonderes, weils sonst ja immer nur Reis gibt), Fleisch, gebratene Zwiebeln und Salat. Und während wir am Tisch saßen – schön europäisch mit Messer und Gabel und jeder von seinem eigenen Teller essend – saßen die Männer im Flur und die Frauen in der Küche und haben jeweils zusammen von einer großen Platte gegessen. Mit der Hand natürlich. Schade, dass wir nicht mit der Familie zusammen gegessen haben. Hatten ein bisschen das Gefühl, im Wohnzimmer „abgeladen“ worden zu sein. (Bis Karamba abends erzählte, dass es die größte Ehre ist, einem Gast einen ruhigen und gemütlichen Platz zum Essen zu geben).
Anschließend haben wir die Runde durch die Nachbarhäuser gemacht. Was die Männer vormittags machen, mache die Frauen am frühen Abend, wenn alle haushaltlichen Pflichten erfüllt sind. Im Nachhinein sind wir fast ein wenig froh, dass auf dem Gelände der Forschungseinrichtung „nur“ ca. 8 Familien wohnen. In jedem Haus wurden wir eingeladen, uns ins Wohnzimmer zu setzen, wir wurden vorgestellt und es gab Getränke (kein Widerspruch!) - eiskalte Softdrinks meistens, ein Mal auch selbstgemachten Guavensaft. Die Häuser der Forschungseinrichtung ähneln sich im Grundriss alles sehr, dir Anzahl der zusätzlichen Zimmer variiert je nach Status des Mitarbeiters. Aber auch die Inneneinrichtung ähnelte sich erschreckend. Große plüschige Sitzgruppen, immer dekoriert mit Spitzendeckchen, eine Schrankwand voll mit Porzellanschwänen und Plastikblumen. Und nicht zu vergessen, die riesigen Fotos an den Wänden und die Diplome von amerikanischen Universitäten (fast alle Forscher dort haben in den USA studiert). Die letzte Familie war die einzige christliche vor Ort. Trotzdem feiert sie mit den anderen die Korite. Uns wurde erzählt, dass fast jede islamische Familie zu Weihnachten einen Christbaum im Wohnzimmer stehen hat.

PS: Zum "Weinachten der Muslime" haben wir zum ersten Mal unsere senegalesische Kleidung getragen. Kam auch gut an.



Vor der Moschee

Friday, October 20, 2006

Zweiter Gruss aus Kolda

Wir sind vor circa einer Woche in Kolda angekommen. Es ist hier ganz anders als in Dakar: landschaftlich sehr tropisch, immer noch heiß, aber morgens und abends kühlt es manchmal ab. Und es hat schon zwei mal geregnet. Obwohl man das eigentlich nicht Regen nennen kann. Hat eher an einen Wasserfall erinnert. Die Wege abseits der geteerten Hauptstraßen sind aus Sand und verwandeln sich einem nach solch einem tropischen Regenguss in kleine Seen. Überall laufen Ziegen, Kühe, Esel und Schweine rum, gestern turnte dazwischen auch noch ein kleiner Affe.
Wir wohnen bei Tony, einem ehemaligen Journalisten, der irgendwann aus Togo hierher kam als all die französischen Kolonien in Westafrika noch eins waren. Dann war er 100-Meter-Läufer und dann bei der Zeitung und jetzt ist er ungefähr 70 und Präsident von FODDE, der Organisation, mit der wir zusammenarbeiten. Im Gegensatz zu der Familie in Dakar wohnen wir jetzt sehr entspannt, haben ein eigenes Zimmer und damit auch eine Rückzugsmöglichkeit. Sogar eine richtige Toilette und Dusche haben wir ganz für uns allein. Dafür fallen wir auf der Straße noch mehr auf als in Dakar. Wenn wir durch den Ort laufen, rufen die Kinder „Toubab, Toubab“ und die ganz mutigen kommen und geben uns mit einem verschämten „Bonjour“ die Hand. Unangenehm ist es, wenn sie nach Geld fragen, oder Heften oder Büchern oder... Passiert nicht oft, aber wenn, dann wissen wir nicht so recht, wie wir reagieren sollen. Dann sind wir auf einmal die reichen weißen Europäer.
Unser Projekt können wir erst in einer Woche starten (das ist zumindest gerade der Plan). Haben uns schon zwei Mal mit dem Schulleiter Monsieur Gasama getroffen. Die Spannung steigt, wann es tatsächlich losgeht. Die Schule hat offiziell am 9. Oktober wieder begonnen, aber es kommen noch nicht viele. Selbst die Lehrer nehmen es nicht so genau mit dem Schulbeginn. Außerdem ist ja auch noch Ramadan. Der ist echt anstrengend. Und das, obwohl wir ja noch nicht mal fasten. Wir versuchen, möglichst nicht in der Öffentlichkeit zu essen oder zu trinken und bemitleiden die fastenden Senegalesen, die auch in der schlimmsten Mittagshitze keinen Schluck Wasser zu sich nehmen und statt dessen oft nur auf einem kleinen Stock rumkauen (der wohl sonst so etwas wie eine Zahnbürste ist). Um kurz nach sechs macht dann alles zu und die Straßen sind wie leergefegt. La cupure. Fastenbrechen. Um Mitternacht wird dann noch mal gegessen, und die ganz harten stehen um 5 – vor Sonneaufgang - auf. Zum früh-frühstücken. Aber am Montag, spätestens Dienstag ist alles vorbei. Inchallah!

Sunday, October 08, 2006

ABC der ersten Eindruecke

A
Autan/Anti-Brumm
"Kuehlt und erfrischt die Haut" - ja, von wegen! Gibt eher das Gefuehl von Sonnenbrand. Und weil wir uns (notgedrungen) auch Haende und Lippen eincremen, gibt es danach dem Essen immer eine ganz besondere Note...

B
Bissap
Unser neues Lieblingsgetraenk! Besteht aus der Frucht des Bissap, Nana-Minze, Vanille und gaaaaanz viel Zucker.Die Senegalesen trinken es als Saft, wir als Sirup mit Wasser.

Bunt
Ist hier irgendwie alles. Die Kleidung, die Menschen, die Busse, die Strassen, die Maerkte, die Laeden, das Essen.

C
CFA-Franc
Komisches Gefuehl, mit einem 10.000er Schein zu bezahlen! 1 Euro = 650 Franc-CFA. CFA steht fuer die Afrikanische Waehrungsunion Communauté Financièere Africaine.

D
Duschen
Noch nie war Duschen so erfrischend, belebend, erquickend, oder einfach nur: SCHOEN! Wenn das Wasser mal wieder nicht laeuft, steigt man auf die Reservetonne um. Die Dusche aus dem Becher.

E
Eis
So heiss und kein Eis. Ein Graus fuer Anne.

Erdnuesse
Ungerostet, ungetrocknet und in Salzwasser gekocht. Sehr lecker.

Einkaufen
Am besten mit jemandem von hier, der den Preis kennt. Ansonsten zahlt man auf jeden Fall mindestens das Dreifache.

F
Fisch
Das senegalesische Nationalgericht ist Thieb Djene, das heisst Reis und Fisch. Bis jetzt habben wir ca. 5 weitere Variationen von Reis mit Fisch gegessen. Mal sehen, wie viele es noch werden...

G
Grand-Père
Wird jemand nach seinem Grossvater benannt, wird er auch "Grossvater" (Also, "Grand-Père) gerufen. Das Gleiche gilt fuer Grossmutter, Mutter, Vater, Onlel, Tante...
Wenn ein Junge als Kind besoonders schoen ist, kann es vorkommen, dass er einfach umgetauft wird und dann "Beau Gars" (Schoener Junge) heisst.

H
Hitze
Wir haetten nie gedacht, dass es irgendwo so heiss sein kann!!! Schweissdurchtraenkte Klamotten, Klatschnasse Bettlaken, Schweisstropfen an der Nasenspitze, knallrote Koepfe... Die Hitze ist aber auch gerne ein Aufhaenger fuer Gespraeche mit Beaknnten und Fremden: "Et comment ça va, la chaleur?" und "Il ne fait pas trop chaud?" (-> was fuer eine Frage!)

I
Internet-Café
"Unseres" ist gleichzeitig auch Copyshop, Multiservice(?) und Cosmetikladen.

K
Kleidung
Kleidung im Laden zu kaufen ist unueblicher als bei uns. Guenstiger ist es, den Stoff zu kaufen und die Kleidung beim Schneider anfertigen zu lassen.

Klopapier
Gibt es nicht. Stattdessen steht ein Eimer Wasser neben der Toilette.

L
Luftfeuchtigkeit
Viel zu hoch und die gefuehlte Temperatur dadruch noch viel hoeher...

M
Malaria
(=Paludisme)Staendiges Thema, natuerlich bei uns, aber auch bei den Einheimischen.
Annes Arzt hat gesagt, wenn uns heiss wird, sollen wir sofort ins Krankenhaus. Bis jetzt war uns allerdings noch keine Minute nicht heiss...

Moskitos
Versuchen wir, mit Autan, Mueckennetz, Raecherspirale, Ventialtor und langer Kleidung abzuwehren. Trotzdem leben wir in der staendigen Angst gestochen zu werden.

Muezzin
Er ruft und ruft und ruft... So laut, dass wir das Gefuehl haben, er stehe vor unserer Tuer!

Mbalax
Senegalesische Popmusik, auf die die Senegalesen sehr stolz sind. (z. B. Youssou N'Dour)

Maggi
Im Essen zwar nicht, dafuer befindet sich das Logo jedoch auf saemtlichen Eimern, Schuesseln und Kuechensets.

N
Netz
Gar nicht so einfach, so ein riesiges Mueckennetz zu befestigen! Aber mit Hilfe von kilometerweise Gaffa-Band/Panzertape, viel Schnur und Haken haengen sie jetzt endlich und kommen uns nachts auch nicht mehr entgegen.

O
Ohropax
Das morgendliche Erwachen einer senegalesischen Grossfamilie waehrend des Ramadan ("Nachtmahl" vor Sonnenaufgang gegen 5 Uhr, anschliessend erstes Gebet um 6 Uhr) beeintraechtigt unseren Schlaf dank Oropax nicht. (siehe ausserdem Muezin)

Oben ohne
Innerhalb der eigenen vier Waende keine Seltenheit, nicht nur bei den Maennern, sondern auch bei den Frauen. Ziehen wir aufgrund der Hitze auch in Erwaegung. :-)

P
Profilaxe
Keine. (siehe Moskitos und Malaria)

Privatsphaere
Gibts nicht. Alle Familienmitglieder und Freunde sind stets um unser Wohlergehen besorgt und jederzeit zu einem Plausch aufgelegt.

Q
Quinkéliba
Wir wurden bereits in die afrikanische Kraeuterheilkunde eingewiesen. Angeblich koennen die Blaetter des Quinkéliba auch als Malariaprofilaxe eingesetzt werden, deswegen wird dieses Gebraeu jetzt jeden Morgen unseren Tee ersetzen.

R
Reis
(siehe Fisch) Neben tausend verschiedenen Reis mit Fisch Gerichten gibt es ausserdem Reis mit Huhn.

Ramadan
Geht noch bis zum 18. Oktober. Alle fasten, nur wir nicht. Dadurch wird jeder Schluck aus der Flasche in der Oeffentlichkeit mit boesen (oder neidischen) Blicken begleitet; zumindest kommt es uns so vor.
Ausserdem wuenschen internationale Konzerne wie Western Union und Coca Cola auf riesigen Plakaten einen gesegneten Ramadan.

S
Stromausfall
Unvorstellbar aber regelmaessig und nachts besonders schlimm (siehe Ventillator). Betrifft in der Regel nur einzelne Stadtteile, so dass Strassen zum Teil auf einer Seite beleuchtet sind, waehrend die andere im Dunkeln liegt.

Steckdose
Nur mit Fingerspitzengefuehl zu handhaben. Stecker nur halb einschieben und schraeg in der Dose haengen lassen.

Stoffe
Farbenfroh und in allen erdenklichen Mustern. Hergestellt uebrigens in Holland!

Schokolade
Gibts nicht. :-( Koennte aber auch so wie so hoechstens nur als Sausse gegessen werden.

T
Terranga
Bedeutet auf Wolof Gastfreundlichkeit und steht im Senegal an hoechster Stelle.
Auch wir wurden bis jetzt von allen ueberaus herzlich empfangen und schon nach einem Tag zur Familie gezaehlt.

Taxi
Privatfahrzeuge sind eine Seltenheit. Dafuer ist Taxifahren umso billiger. Hier wird zwischen verschiedenen Taxiarten unterschieden: Taxi Brousse (kleine Busse fuer laengere Fahrten, fahren erst los, wenn sie voll sind), Taxi Sept-Places (wie Brousse nur kleiner), Taxi Personnel (wie unsere Taxis, in gelb und schwarz), Taxi Groupé (normale Autos, die man am Strassenrand anhaelt; nimmt so viele mit wie reinpassen; Fahrzeuge sind schrottreif, erstaunlich, dass sie ueberhaupt noch fahren; bizarre Fenster- und Tuerenkonstruktionen)

V
Ventillator
In unserem Zimmer ist es tagsueber ohne Ventillator schier unertraeglich und nachts ist er zum Schlafen unentbehrlich.

W
Wasser
Mindestens 4 Liter am Tag pro Person! Aber ja nicht das aus der Leitung (Achtung Durchfall). Deshalb schlendern wir allabendlich zum Laden um die Ecke und kaufen 2 x 5 l fuer je 7 Francs CFA.

Weiss
Als einzige Europaeer in unserem Stadtteil fuehlen wir uns zwar sehr weiss, werden jedoch weniger angestarrt als befuerchtet.

Waw
Wird wie das englische 'wow' ausgesprochen, ist wolof und bedeutet 'ja'. Unkenntnisse des Wolof fuehrten dazu, dass wir die Familienmutter fuer ausgesprochen cool und jugendlich hielten.

Y
Yamba
So wird das einheimische Marihuana genannt. Wir kamen damit bisher jedoch nicht in Kontakt.

Z
Zeit
Die Zeit vergeht hier wirklich langsamer. Die Senegalesen haben die Ruhe weg. Und ohne ein kleines Schwaezchen kommt man an niemanden vorbei. Allein die Begruessungen dauern hier mindestens dreimal so lange wie in Deutscland.

Monday, October 02, 2006

Walla Bock!

Das heisst "Was geht?" und ist das erste Wolof-Wort, das wir gelernt haben. Es ist so bunt und trubelig hier und vor allem WARM! Sobald wir die ersten Eindruecke sortiert haben, gibts hier mehr...